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Prolonged Field Care

Carsten Dombrowski • 5. Dezember 2021

Wenn es mal wieder etwas länger dauert….

Immer wieder wird in Fachforen der Begriff des sog. Prolonged Field Care, kurz PFC diskutiert. Dabei wird diese Phase der Verwundetenversorgung oft als weitere, also vierte Phase des Tactical Comabt Casualty Care , kurz TCCC bezeichnet. Nach Care under Fire, Tactical Field Care und Tactical Evacuation Care, käme dann also das Prolonged Field Care.
Taktik und Medizin hat sich der Thematik angenommen und die Philosophie einer Versorgung nach PFC mal genauer betrachtet.

PFC ist keine weitere Phase des TCCC. Das schon einmal vorweg. Unter PFC versteht sich eine Versorgungspahse, die durchaus im Zusammenhang mit dem TCCC zu sehen ist, aber nicht ausschließlich. Zu komplex sind die Situationen und Verletzungen aber auch Erkrankungen, die zum PFC führen können.

Grafik TCCC – PFC, aus dem AU/ACSC/2015, Captain J. Carver

 

Was also ist PFC?

Sean Keenen, ein  ehemaliger Miliärarzt der US Speztialkräfte, ist heute einer der führenden Köpfe in Sachen Grundlagenarbeit PFC. Bereits in den Jahren 2013 und 2015 war er noch im aktiven Dienst, mit verantwortlich, für die Konzeptionierung der PFC Strategien. Heute ist er in verschiedenen Gremien, wie z.B. der JSOM (Special Operation Medical Journal) oder der SOMA (Special Operation Medical Association)  zu diesem Thema engagiert und publiziert regelmäßig auf den einschlägigen Plattformen. Wer sich mit PFC beschäftigt, wird zwangsläufig auf diesen Namen stoßen.

Bild oberhalb:  Sean Keenen auf der SOMA 2019

 

Die Grundgedanken, die dem Konzept des PFC voraus gegangen sind, sind Erfahrungen aus Einsätze des US Militärs, ( Spezialkräfte wie Navy Seals oder Special Forces) im Einsatzgebiet “Afrika”. Sieht man sich dazu eine graphische Darstellung des Kontinentes an, wird sehr schnell klar, dass Entfernungen, klimatische Zonen, kuluturelle und religiöse Unterschiede neben der taktisch-militärischen Lage bei der Verwundetenversorgung eine bedeutende Rolle spielen. So ist eine funktionierende Rettungskette, wie sie mit Masse in den Einsatzgebieten Irak und Afghanistan durch die Bereitsstellung von Medevac Hubschraubern und frontnahen medizinischen Einrichtungen bestand, in Afrika kaum vorhanden, oder logistisch umsetzbar.

Bilder oberhalb. Einsatzgebiet Afrika, sowie Material welches im PFC zur Anwendung kommen kann.

 

In ersten Konzeptpapieren wurde festgehalten, dass die Qualität im einzelnen zwar unterschiedlich aussehen kann, aber in der Gesamtbetrachtung nicht zu Ungunsten des Patienten ausfallen darf.

Wie schließt sich also die Lücke zwischen einer schwer zu realisierenden Rettungskette und schweren Erkrankungen oder traumatischen Verletzungen.

Zum einen, das eine Abstufung der Möglichkeiten einer Versorgung schon beim Mission Planing, also der Einsatzplanung berücksichtigt wird. Zum anderen dass die Fähigkeiten des eingesetzten medizinischen Personals auf diese Einsatzvariante angepasst werden. Somit das Medical Planing dem Mission Planing angepasst wird, oder umgekehrt. Das bedeutet, ich kann eine militärische Operation zwar durchführen, muss dann aber mit den Konsequenzen aus den veränderten Rahmenbedingungen bei einer potentiellen Evakuierung Verletzter rechnen. Weiterhin kann ich nicht jeden Mediziner pauschal für jeden Einsatz auswählen. 

 

Die folgende Übersicht zeigt die Abstufung die in diesen Grundlagenpapieren festgehalten wurden. Eine Abstufung der medizinischen Versorgungsmöglichkeiten, quasi als ein Dreisäulenmodell.

Grafik PFC, aus dem AU/ACSC/2015, Captain J. Carver

 

Säule 1, wo befinde ich mich gerade

 

Ruck – Truck – House - Plane sind  Schlagworte, die in dieser Übersicht benutzt werden. Befinde ich mich zu Fuß auf dem Marsch, ist meine Möglichkeit einen Verletzten zu versorgen beschränkter, als wenn ich den selben Patienten später in einem Fahrzeug oder gar einem festen Gebäude versorgen kann. Die Aspekte, unmittelbar nach dem Beginn der Versorgung, bis hin zu einer verlängerten oder verzögerten Evakuierung werden damit berücksichtigt.

 

 Säule 2, welches Material habe ich dabei


Minimun (good)  – Better – Best ist grundsätzlich abhängig von dem Material, welches ich dabei habe. Ein Trupp Infanteristen hat sicher nicht das Sanitätsmaterial in Qualität und Quantität dabei, um einen Verwundeten intensivmedizinisch versorgen zu können. Ein hochqualifizierter Intensivmediziner wird mit eingeschränkten Materialressourcen auch nur eingeschränkt arbeiten können. Trotzdem müssen beide Gruppierungen in der Lage sein, zumindest eine Basisversorgung sicher zu stellen.

 

Säule 3, die praktischen Fähigkeiten des medizinischen Personals

 

Folgend ist eine Übersicht über Basic Skills, als Fähigkeiten des medizinischen Personals, welches im Rahmen des Medical Planing für einen Einsatz mit möglicher längeren Versorgungszeit ausgewählt wird. Nicht jeder Arzt ist gleich gut befähigt in den praktischen Anwendungen (Skills) und das selbe gilt für das medizinische Assistenzpersonal oder die Sanitäter. Diese 10 Basis Skills sind auch in der o.g. Übersicht , den 10 weichtigen Grundbefähigungen zu sehen.

 

·      Überwachung des Patienten (Monitoring)

·      Behebung von physiologischen Störungen (z.B. Transfusion)

·      Belüftung-/Sauerstoffversorgung des Patienten (Airwaymanagement)

·      Endgültige Kontrolle über die Atemwege des Patienten (Beatmung)

·      Sedierung und Schmerzmanagement 

·      körperliche Untersuchung und diagnostische Maßnahmen

·      Pflege-und Hygienemaßnahmen durchzuführen (Nursing)

·      Chirurgische Intervention auf fortgeschrittenem medizinischen Niveau 

·      Telekonsultation durchführen (Telemedizin)

·      Den Patienten für die Evakuation vorzubereiten

Was sich teilweise lapidar anhört, beinhaltet bei genauerem Nachlesen Maßnahmen wie Thoraxdrainage, Blasenkatheter, chirurgische Wundversorgung, Schaffung von alternativen Atemwegszugängen u.v.m.

 

Die drei folgenden Bilder beschreiben sehr eindrucksvoll drei der vier Versorgungsebenen. Ruck – Truck – House (Plane fehlt)

Prolonged Field Care nur für Militär?

 

Sehr schnell war allen, mit der Taktischen Medizin arbeitenden Nationen und Organisationen klar, das PFC für viele Bereiche von Nutzen ist. Es ist dabei primär unerheblich warum ein Patient nicht schnellstmöglich in eine versorgende Klinik transportiert werden kann. Der Umstand allein,das er nun über mehrere Stunden oder Tage im Verantwortungsbereich, der vor Ort befindlichen Helfer ist, führt zu einem Umdenken. Seenotrettung oder Bergrettung sind z.B. zwei Tätigkeitsbereiche, bei denen sehr schnell auf Grund von Witterungseinflüssen, eine schnelle Patientenübergabe behindert werden kann. Somit die Versorgung an Deck oder in einer Schutzhütte über mehrere Stunden realistisch wird.

Führende Verbände der Remote oder Wilderness Medizin haben den Part PFC auch in ihr Programm aufgenommen.

 

Zusammenfassung

 

Das Prolonged Field Care ist keine weitere Phase des bekannten Tactical Combat Casualty Care. Eher eine ergänzende Phase, wenn der schnelle Abstransport eines erkrankten oder verwundeten Patienten aus welchen Gründen auch immer verzögert wird. Maßnahmen zur Behandlung werden im PFC in Abhängig zum Ort der Versorgung, der materiellen Ausstattung und den fachlichen Fertigkeiten des medizinischen Personals gestellt. In Deutschland beschäftigen sich neben den Spezialkräften der Bundeswehr nur wenige Einrichtungen oder Organisationen mit diesem Thema. Erste Überlegungen, die in kommerzielle Ausbildungskurse fließen , tauchen zunehmend auch auf ziviler Anwenderseite auf. Unabhängig davon wird das PFC bei Ausweitung potentieller Einsatz/-reisegebiete und entsprechend langer Versorgungswege auch weiterhin ein wichtiges Thema bleiben.

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