Raubkopien und Plagiate
Wer kennt sie nicht die billigen, teilweise dem Original sehr ähnlichen Produkte vom sog. Schwarzmarkt. Grenznah entlang der Straßen oder auf Basaren nur wenige Flugstunden südlich. Polohemden, Handtaschen oder Uhren. Alles, was der Normalbürger sich finanziell nicht leisten kann, ist plötzlich für einen Bruchteil des Geldes zu haben.
Wen stört es da schon, wenn die Qualität dann wenige Wochen nach dem „Schnäppchenkauf“ nachlässt und der Artikel weggeworfen wird?
Irgendwie haben viele ein oder mehrere solcher Mitbringsel in ihrem Besitz, obwohl man zumindest ahnt, das dies zumindest nicht ganz legal ist. Als vermeintliches Kavaliersdelikt sehen viele darüber hinweg.
Mit Eröffnung und massiver Dominanz des Onlinehandels boomt der Handel mit Produktkopien förmlich. Es scheint nahezu nichts zu geben, das nicht in Fernost nachgebaut werden kann und dann für Dumpingpreise auf dem europäischen oder amerikanischen Markt auftaucht.
Wen wundert es also, dass auch die Medizinproduktebranche Ziel solcher zweifelhaften oder illegalen Machenschaften wurde.
Ich möchte mich nun mal genauer mit diesem Thema beschäftigen. Ziel dieses Artikels ist es aufzuklären, zu schützen und letztendlich sogar Menschenleben zu retten. Zuerst einmal ein paar formelle, juristische Hinweise zu Medizinprodukten.
In den USA werden Medizinprodukte über die dafür zuständige Behörde „US Food and Drug Administration“, kurz FDA geregelt. Infos dazu unter : https://www.fda.gov/ .
In Europa werden Medizinprodukte durch EU (Stamm-) Richtlinien reguliert. Im Detail EU90/385 aktive Implantate, EU98/79 in- vitro Diagnostika und EU93/42 sonstige Medizinprodukte. In der EU 93/42 wurde auch im Anhang IX die Risikoklassifizierung festgelegt.
Klasse I z.B. Einweg Spritzen, Pflaster, Verbandstoffe geringer Invasivitätsgrad, kein oder unkritischer Hautkontakt vorübergehende Anwendung ≤ 60 Minuten
Klasse IIa z.B. ChestSeals, Absauger, mäßiger Invasivitätsgrad, kurzzeitige Anwendungen im Körper kurzzeitig ≤ 30 Tage, ununterbrochen oder wiederholter Einsatz des gleichen Produktes.
Klasse IIb z.B. Beatmungsmaschine, Defi ́s erhöhtes methodisches Risiko, systemische Wirkungen, Langzeitanwendungen, langzeitig ≥ 30 Tage, sonst wie bei kurzzeitigem Einsatz.
Klasse III z.B. Herzklappen, Stent ́s, entspricht hohem Gefahrenpotential, besonders hohes medizinisches Risiko
Diese 3 EU-Richtlinien wurden national in jedem EU Land per Medizinproduktegesetz umgesetzt. Deutschland hat ein Medizinproduktegesetz mit 44 Paragraphen (Fassung 2016), Österreich hat ein Medizinproduktegesetz mit 117 Paragraphen (Fassung 2015).
Nachfolgend gibt es in Deutschland noch die Medizinprodukteverordnung und Medizinprodukte- Sicherheitsplanverordnung. Im Jahr 2017 wurde die Richtlinie EU 90/385 und EU 93/42 durch die Verordnung EU2017/745 ergänzt! Durch Aufwertung der EU-Richtlinien in eine EU-Verordnung entfällt eine nationale gesetzliche Umsetzung.
Details zu gesetzlichen Vorgaben gibt es bei den nationalen Aufsichtsbehörden:
Deutschland https://www.bfarm.de/DE/Medizinprodukte/_node.ht ml
Österreich: https://www.basg.gv.at/medizinprodukte/ Seite 4 von 11
Im Vorfeld des Kaufs von Medizinprodukten wäre bei Unklarheiten oder spezifischen Fragen eine Anfrage bei diesen Behörden zwecks Übermittlung der aufrechten CE-Zulassung und bei Bedarf der Bedienungsanleitung ratsam.
Soweit zu den rechtlichen Grundlagen.
Leider gibt es Wirtschaftskriminalität auch bei Medizinprodukten, egal ob Hersteller die sich nicht an Vorgaben halten oder Händler die den Profit im Vordergrund sehen und sich dadurch auf juristisch dünnes Eis begeben. Ob das mit Vorsatz geschieht oder auch in Unkenntnis der gesetzlichen Vorgaben ist dabei erst einmal unerheblich. Die Bandbreite reicht von Grau-Importen die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen bis zu Plagiaten, Raubkopien die eindeutig illegal sind!
Die Strafbestimmungen in Deutschland folgend Medizinproduktegesetz MPG § 40 mit bis zu 3 Jahren Haft, in schweren Fällen bis zu 5 Jahren Haft zeigen das der Gesetzgeber es ernst meint !
Zu strafrechtlich relevanten Verstößen folgend MPG kommen unter Umständen noch zivile Verstöße folgend Markenrecht und Patentrecht dazu. Falls ein Produkt noch keine aufrechte CE Zulassung hat könnte ein Zulassungsverfahren gestartet werden, der Käufer wechselt dadurch zu Hersteller/In-Verkehr Bringer.
Das ein solches CE- Zulassungsverfahren mit deutlichen Kosten verbunden ist wäre klar, ob es zu einer Zulassung kommt, eher nicht! Es gibt dazu eine konkrete Warnung von Interpol Washington Control No. : 0-420/1-2018 , File No. 2018/7564-1 wo explizit auf die Sachlage Kauf von gefälschten Tourniquet hingewiesen wird.
Manchmal sollte bei diversen Angeboten im Internet eigentlich schon ein Blick auf die Preise reichen.
Als Beispiel, CAT TQ 7, bei Amazon/ Ebay „Sonderangebot“ 3 Stück zu € 9,99.
Dieser Hinweis ist auch an die Behörden gerichtet, in denen für die Beschaffung von Einsatz oder Ausbildungsmaterial eingesetztes Personal sehr häufig leider zuerst auf den Preis sieht und dann durch den Kauf solcher zuvor genannter Produkte Disziplinarvergehen und/ oder Straftaten begeht. 😉
Unabhängig von den im ersten Teil genannten rechtlichen Aspekten birgt der Einsatz von nachgebauten Medizinprodukten ein hohes Risiko in sich.
Anhand einer Versuchsserie habe ich bewiesen, wie durch billige und schlechte Verarbeitung eine Anwendung solcher Produkte zum Spiel mit dem Feuer, oder besser mit dem Leben des anvertrauten Patienten machen.
Hierzu wurde über einen Onlinehändler ein Nachbau des Tourniquets CAT 7 (Combat Applikation Tourniquet) Generation 7 gekauft. Die Versuchsserie geschieht mit Wissen, sowie Genehmigung des Importeurs Europa, für das original CAT 7 Tourniquet.
Einkaufspreis Plagiat: Ca. 7 € / Stück, Einkaufspreis Original Behördenpreis Ca. 35 €/ Stück!
Zusammenfassend gilt es noch mal die erhebliche Gefahr für Leib und Leben des Verwundeten aufzuzeigen.
In einer Situation in der keine Fehler geschehen sollten, jeder Helfer sich auf die Funktionsfähigkeit seines ihm bereitgestellten und verwendeten Materials blind verlässt, kann der Ausfall z.B. durch Materialschwäche zum Tod des Verwundeten führen.
Ein Umstand über den man sich schon bei der Beschaffung von medizinischen Produkten im klaren sein muss.